Internationales und nationales Recht verpflichten Bund und Kantone,
Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen
zu ergreifen. Für die Ausrichtung von Geld- und Sachleistungen ist
grundsätzlich der Bund zuständig. Seit Inkrafttreten des Bundesbeschlusses vom
1. Januar 2008 zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der
Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) sind die Kantone allein
zuständig für die Fachausbildungen, die Wohneinrichtungen, Werkstätten und
Tagesstätten für Menschen mit Behinderungen. Das bedeutet, dass neu die Kantone die Verantwortung für den Betrieb von Institutionen und Heimen, also
für Heim- und Pflegekosten tragen. Auch die Sonderschulen finanzieren die Kantone
integral.
Der Bund ist demgegenüber für die Existenzsicherung zuständig. Die Kantone übernehmen dabei unter anderem,
nebst einer Beteiligung an der Existenzsicherung, diejenigen
Bereiche der Ergänzungsleistungen, die in einem
Zusammenhang mit Heim- oder Gesundheitskosten stehen.
Nach Artikel 197 Absatz 4 der Bundesverfassung
sind die Kantone angehalten, Behindertenkonzepte für ihre neuen
Zuständigkeitsbereiche zu erarbeiten (heilpädagogische Konzepte für Kinder und
Jugendliche, Konzepte für erwachsene Menschen mit Behinderungen).
Nachfolgend werden die gesetzlichen Grundlagen im Bereich der Rechte für
Menschen mit Behinderungen der ausgewählten sechs Kantone präsentiert. Bestimmungen
zum Raumplanungs- und Baurecht werden nicht aufgelistet.
Kanton Aargau
Betreuungsgesetz
Der Kanton Aargau verfügt
über das Gesetz über die Einrichtungen für Menschen mit besonderen
Betreuungsbedürfnissen (Betreuungsgesetz) vom 2. Mai 2006 und über die Betreuungsverordnung vom 8. November 2006. Dazu kommen die
Verordnung vom 8. November 2006 über die Schulung von Kindern und Jugendlichen
mit Behinderungen und die besonderen Förder- und Stützmassnahmen (Verordnung Schulung und Förderung bei Behinderungen).
Revision des Betreuungsgesetzes
Zudem plant der Kanton Aargau, sein Betreuungsgesetz teilweise zu
revidieren. Damit will er ambulante Angebote
für Menschen mit Behinderungen den stationären Angeboten finanziell
gleichstellen.
Damit sollen
gezielt auf deren Bedarf ausgerichtete ambulante Leistungen den Erwachsenen mit
Behinderungen ermöglichen, vermehrt auch ausserhalb von Einrichtungen zu wohnen
und zu arbeiten. Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen sollen
möglichst im vertrauten Umfeld aufwachsen können. Die Vernehmlassung der
Teilrevision dauerte bis am 1. Juli 2019. Die Umsetzung soll ab 1. Januar 2022
erfolgen.
Basel-Stadt
Neues Gesetz über Behindertenrechte
Der Kanton Basel-Stadt verfügt über das Gesetz vom
14. September 2016 über die Behindertenhilfe (BHG). Zudem plant der Kanton Basel-Stadt, ein neues Behindertenrechtegesetz (Bericht zum: BRG) zu erlassen. Das BRG soll das nationale
Behindertengleichstellungsgesetz dort ergänzen, wo dieses einen Sachbereich
bisher nicht abschliessend geregelt hat, bspw. beim Wohnen, in der Freizeit
oder bei kantonalen Sozialleistungen. Die Zweckbestimmung des BRG übernimmt das Leitmotiv der UNO-BRK: Es soll
die unabhängige Lebensführung sowie den Einbezug in die Gemeinschaft garantieren.
Der Geltungsbereich des BRG umfasst alle Lebensbereiche von Menschen mit
Behinderungen, sofern sie in den kantonalen Kompetenzbereich fallen.
Das geplante BRG hat die Definition von «Menschen mit Behinderungen» von
der UNO-BRK übernommen. Dabei besteht kein fixes Verständnis einer
Behinderung, sondern diese ist abhängig von der Zeit und der Gesellschaft. Nach
dem geplanten Basler BRG sind Beeinträchtigungen dann Behinderungen, wenn sie
von einer gewissen minimalen Dauer sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine
langfristige Sinnesbeeinträchtigung vorliegt. Daraus resultiert die Tatsache,
dass auch Personen mit einer (psychischen) Erkrankung – je nach Dauer und
Auswirkungen der Erkrankung – unter den Begriff der Behinderung gemäss BRG
fallen. Hinzu kommt, dass auch Menschen mit einer altersbedingten Beeinträchtigung
unter den Begriff fallen.
St. Gallen
Der Kanton St. Gallen verfügt
über das Gesetz vom 7. August 2012 über die soziale Sicherung und Integration
von Menschen mit Behinderung (BehG) sowie die Verordnung vom 11. Dezember 2012 über die
soziale Sicherung und Integration von Menschen mit Behinderung (BehV).
Zug
Der Kanton Zug verfügt über
das Gesetz vom 26. August 2010 über soziale Einrichtungen (SEG), die Verordnung 16. November 2010 zum Gesetz über
soziale Einrichtungen vom (SEV) sowie über Legislaturziele vom 19. September 2018 des Regierungsrats. Dort geht
es unter anderem um die Weiterentwicklung des Projekts InBeZug für
bedarfsgerechte und wirkungsvolle Leistungen für behinderte Menschen. Modellprojekte
sollen Innovationen ermöglichen, damit die Selbstbestimmung von Menschen mit
Behinderungen gestärkt wird.
Nach Auswertung des Projekts InBeZug wird
überprüft, ob eine Teilrevision des Gesetzes über soziale Einrichtungen
vom 26. Oktober 2010 an die Hand genommen werden soll.
Interkantonale Vereinbarung für Soziale Einrichtungen (IVSE)
Die interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE) trat am 1. Januar 2006 in Kraft. Sie regelt die
Finanzierungsmodalitäten, wenn Personen in sozialen Einrichtungen ausserhalb
ihres Wohnkantons untergebracht sind. Alle Kantone sowie das Fürstentum
Lichtenstein sind Mitglieder der IVSE. Zu den sozialen Institutionen gehören vier
Bereiche: Stationäre Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen
für erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen, stationäre Angebote im
Suchtbereich sowie Einrichtungen der externen Sonderschulung. Dies bedeutet,
dass nicht jeder Kanton selbst über ein entsprechendes Angebot verfügen muss;
im Bedarfsfall kann er Personen in einer geeigneten Institution eines anderen
Kantons platzieren. Jeder Vereinbarungskanton kann einzelnen, mehreren oder
allen vier Bereichen der IVSE beitreten. Er bezeichnet die Einrichtungen auf
seinem Gebiet, die der IVSE unterstellt sind.